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Prof. Dr. Albert O. Hirschman

Prof. Dr. Albert O. Hirschman

 (* 07.04.1915, † 10.12.2012) Ehrenpromotion verliehen am 03.12.1988

"ehrt der Fachbereich einen herausragenden Sozialwissenschaftler und eine bedeutende Persönlichkeit."

 

Albert O. Hirschman, unter diesem Namen als Sozialwissenschaftler und Buchautor weltbekannt, wurde als Otto Albert Hirschmann am 7. April 1915 in Berlin geboren. 1932 immatrikulierte er sich für das Fach Nationalökonomie an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität Unter den Linden. Bereits im April 1933 verließ er Deutschland. Er wusste, wie gefährdet er als Jude und Mitglied einer politischen Jugendgruppe, der Sozialistischen Arbeiterjugend SAJ, nach der Machtergreifung durch Hitler war. Dank seiner französischen Sprachkenntnisse konnte Albert O. Hirschman (den Tausch der Reihenfolge seiner deutschen Vornamen nahm er bereits in Frankreich vor, weil „Otto", wie er während der Nachfeier zur Ehrenpromotion am 3. Dezember 1988 bekannte, auf französisch wie „Auto" klingt) sein Studium an der Sorbonne fortsetzen und erwarb dort 1935 sein Diplom. Mit einem Stipendium des International Student Service konnte Hirschman 1935-1936 ein Jahr lang sein Studium an der London School of Economics fortsetzen. Danach kämpfte er drei Monate auf republikanischer Seite im spanischen Bürgerkrieg, ging dann aber im Herbst 1936 mit Unterstützung seiner Schwester Ursula und seines Schwagers nach Italien und promovierte 1938 an der Universität Triest mit einer Arbeit über die französische Außenhandelspolitik. Nachdem auch das faschistische Italien Rassengesetze eingeführt hatte, musste Hirschman im Herbst 1938 das Land wieder verlassen und ging nach Paris an das Institut de Recherches Economiques et Sociales als Hilfsassistent zurück. Nach Kriegsausbruch im September 1939 meldete er sich freiwillig zur französischen Armee, der er bis zur Kapitulation Frankreichs im Juni 1940 angehörte. Nach der Flucht in die Vereinigten Staaten von Amerika arbeitete Hirschman von 1941 bis 1943 an der University of California. Während dieser Zeit schrieb er sein erstes Buch, National Power and the Structure of Foreign Trade. Von März 1943 bis Dezember 1945 diente Hirschman in der US Army, zunächst in Nordafrika, dann in Italien. Dem Eintritt in die U. S. Army fiel als erstes das doppelte „n" im Namen Hirschman zum Opfer. Das im Englischen überflüssige „c" auch noch zu opfern, weigerte sich Hirschman jedoch standhaft. Ab 1946 arbeitete er für einige Jahre als Ökonom bei der amerikanischen Zentralbank und beim Marshall-Plan. 1952 bis 1956 arbeitete er als Berater der kolumbianischen Regierung und lernte die Probleme der Entwicklungspolitik in Südamerika aus erster Hand kennen. In jener Zeit reifte in ihm der Plan für sein vermutlich bekanntestes und einflussreichstes Buch „The Strategy of Economic Development" (1958). Dieses Buch ebnete ihm den Weg in eine amerikanische Universitätskarriere, die bereits 1956 als Gastprofessor an der Yale University begonnen hatte und danach über einige Zwischenstationen zum Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey, führte, dem er seit 1974 angehörte. Man muss sich vor Augen halten, dass Hirschman seine Hochschullaufbahn im Grunde erst im Alter von vierzig Jahren begann, ohne Habilitation oder ähnliche Ingredienzen des deutschen Universitätswesens, aber mit mehr Lebenserfahrung und Einsicht in Lebenszusammenhänge als die meisten anderen Sozialwissenschaftler. Die Phase seiner größten wissenschaftlichen Produktivität fällt in die Zeit seit 1960. Hirschman kann mit Fug und Recht als einer der geistigen Väter des heute florierenden Zweiges der „Ökonomie der Institutionen" angesehen werden. Ein Charakteristikum der Arbeitsweise und der geistigen Wirkung Hirschmans ist „Trespassing" (Grenzüberschreitung zwischen wissenschaftlichen Disziplinen). Seine Arbeiten sind daher sowohl für Wirtschaftswissenschaftler als auch für Soziologen, Politologen und Philosophen von Bedeutung. Er ist auf diesen Grenzgebieten einer der meistzitierten Autoren. Hirschman ist auch in der Sprache seines zweiten Heimatlandes Nordamerika ein glanzvoller Stilist. Er versinnbildlicht in seinem Leben und Werk die Traditionen des europäischen Humanismus, in dem trotz aller Einsichten in die Unzulänglichkeiten menschlichen Handelns die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft der Menschheit nicht verloren geht.

 

Zu den wichtigsten Veröffentlichungen Hirschmans gehören:

• Shifting Involvements: Private Interest and Public Action(1982)

• The Passions and the Interests: Political Arguments for Capitalism before its Triumph (1977)

• Exit, Voice and Loyalty: Responses to Decline in Firms, Organizations and States (1970)

• Journeys Toward Progress (1963)