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Der Wert der Arbeit. Die Bestimmung der intangiblen Wohlfahrtseffekte der Arbeit unter Einsatz der „Day Reconstrution Method“

Projektleiter: Joachim Weimann, Ronnie Schöb, Andreas Knabe, Steffen Rätzel

Geldgeber: Fritz Thyssen Stiftung

Laufzeit: 01.10.2007 - 31.03.2010

Fördermittel: rund 90.000

Arbeit besitzt einen positiven Wert für Individuen. Ergebnisse der Lebenszufriedenheitsforschung zeigen, dass Arbeitslosigkeit aufgrund von tangiblen (monetären) und intangiblen Kosten das Wohlbefinden substanziell reduziert. Die hohen intangiblen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit, dies sind insbesondere psychische und soziale Kosten, wurden in der politischen Diskussion bislang wenig beachtet. Das Forschungsprojekt verfolgte das Ziel, den Wert der Arbeit neu zu bestimmen. Dabei wurde der individuelle Erfahrungsnutzen von Arbeitslosen, Beschäftigten und Teilnehmern von Workfare-Maßnahmen erfasst. Der Erfahrungsnutzen wurde dabei durch das emotionale Wohlbefinden der Befragten gemessen. Dies geschah mithilfe der von der Arbeitsgruppe um den Psychologen und Ökonomienobelpreisträger Daniel Kahneman im Jahr 2004 entwickelten „Day Reconstruction Method“ (DRM), bei der die Befragten zunächst ein Tagebuch ihres vergangenen Tages erstellen und dann jede einzelne Episode in Hinblick auf die dabei erfahrenen Emotionen bewerten. Die Befragungen fanden in Berlin und Magdeburg statt, das Projekt wurde in Kooperation mit Kollegen der Otto von Guericke Universität Magdeburg entwickelt und durchgeführt.

Bisherige Publikationen und Ergebnisse des Projekts:

Knabe et al. (2010) untersuchen, ob sich die von Arbeitslosen empfundene Minderung der allgemeinen Lebenszufriedenheit auch im täglichen Erfahrungsnutzen und somit der affektiven Komponente des subjektiven Wohlbefindens widerspiegelt. Bei der Untersuchung des Erfahrungsnutzens zeigt sich, dass Arbeitslose nicht weniger angenehme Tage als Beschäftigte haben. Dieses Ergebnis lässt durch zwei Effekte erklären: Arbeitslose sind zwar während ähnlicher Aktivitäten trauriger als Beschäftigte (saddening effect), verbringen aber mehr Zeit in angenehmen Aktivitäten (time composition effect). Bei Arbeitslosigkeit kommt es zu einer hedonischen Adaption, welche das affektive Wohlbefinden beeinflusst. Arbeitslose gewöhnen sich an ihre veränderten Lebensumstände und nutzen ihre zusätzliche freie Zeit für Aktivitäten, die sie als angenehmer als Arbeit empfinden. Dass Arbeitslose eine geringere Lebenszufriedenheit als Erwerbstätige angeben, zeigt gleichzeitig, dass es zu keiner Anpassung der Aspirationen kommt. Erwerbstätigkeit wird weiterhin als erstrebenswertes Ziel angesehen und dient bei der Beurteilung der Lebenszufriedenheit als Bezugspunkt.

Knabe, Schöb und Weimann (2016) untersuchen den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Lebenszufriedenheit sowie kognitivem und affektivem Wohlbefinden in Abhängigkeit vom Familienstand und Beschäftigungsstatus des Partners. Ein besseres Verständnis dafür, warum Menschen unter Arbeitslosigkeit leiden, sowie genauere Kenntnisse über die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die verschiedenen Komponenten des subjektiven Wohlbefindens, sind für eine optimale Ausgestaltung des Sozialstaates notwendig. Um den Einfluss von Arbeitslosigkeit auf das kognitive Wohlbefinden zu untersuchen, wird die Lebenszufriedenheit um den Einfluss des emotionalen Wohlbefindens bereinigt. Es zeigt sich, dass Arbeitslosigkeit einen negativen Einfluss auf das kognitive Wohlbefinden hat. Die Höhe der Reduktion des kognitiven Wohlbefindens variiert deutlich nach Familienstand und Geschlecht. Es finden sich dabei Hinweise auf ein Fortbestehen traditioneller Rollenbilder. Für Männer scheint die Rolle des Familienernährers und Hauptverdieners weiterhin von zentraler Bedeutung zu sein. Partnerschaft führt bei arbeitslosen Männern zu einem stärkeren Verlust des kognitiven Wohlbefindens. Dieser Verlust wird durch eine Beschäftigung des Partners weiter verstärkt. Bei Frauen gibt es hingegen keine statistischen signifikanten Zusammenhänge zwischen Familienstand, Arbeitslosigkeit und kognitivem Wohlbefinden.

Im Fokus dieser Studie steht die Frage, welche Auswirkungen die Teilnahme an „Workfare-Maßnahmen“ auf das emotionale und das kognitive Wohlbefinden hat. Bei Workfare-Maßnahmen werden staatliche Transferleistungen mit der Verpflichtung zu Arbeitsaufnahme in öffentlichen Beschäftigungsprogrammen verbunden. In Deutschland sind dies v.a. die sogenannten Ein-Euro-Jobs. Workfare wird als nützliches Werkzeug gesehen, um die Effektivität des Wohlfahrtstaates zu erhöhen. Ziel des Entzugs von Freizeit durch die verpflichtenden Maßnahmen ist es, dass dadurch die Anreize zur Arbeitssuche erhöht werden. Es werden mit der Lebenszufriedenheit und dem emotionalen Wohlbefinden unterschiedliche Dimensionen des Wohlbefindens untersucht. Um den Einfluss von Arbeitslosigkeit auf das kognitive Wohlbefinden zu untersuchen, wird die Lebenszufriedenheit um den Einfluss des emotionalen Wohlbefindens bereinigt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lebenszufriedenheit von Teilnehmern an Workfare-Maßnahmen höher ist als die von Arbeitslosen, aber niedriger als die Lebenszufriedenheit von Beschäftigten. Auch das affektive Wohlbefinden ist bei Workfare-Teilnehmern höher als bei Arbeitslosen und Beschäftigten. Daraus kann im Widerspruch zu den theoretischen Annahmen über Workfare die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Workfare einen positiven Einfluss auf das kognitive Wohlbefinden hat. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass Workfare ein ineffizientes Politikinstrument ist. Wenn durch Workfare erfolgreich die freiwillig Arbeitslosen von den unfreiwillig Arbeitslosen getrennt werden, können Workfare-Maßnahmen immer noch einen starken drohenden Effekt auf freiwillig Arbeitslose haben.


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